1.1 Vorbemerkung

Autor: Yusuf Kuhn - Di., 04.08.2020 - 14:42

1.1 Vorbemerkung

Der folgende Text behandelt die Frage des Verhältnisses von Vernunft und Offenbarung anhand eines Werkes von Ibn Taymiyya, nämlich des Darʾ taʿārudh al-aql wa an-naql (Vermeidung des Konflikts von Vernunft und Offenbarung). Er basiert auf einem Vortrag von Yasir Qadhi, der ziemlich nahe am Original wiedergegeben wird. Darin wird nicht nur ein Einblick in eines der größten und bedeutendsten Werke von Ibn Taymiyya geboten, sondern zugleich eine Einführung in einige grundlegende Fragen des islamischen Denkens. Nicht zuletzt wird es dabei auch immer wieder um Ibn Taymiyyas Kritik der Philosophie gehen.

Der Vortrag von Yasir Qadhi kann als Einstieg in diese Thematik gute Dienste leisten, da er wichtiges Hintergrundwissen bereitstellt, einige Positionen von muslimischen Denkern darlegt und philosophische Themen von größter Bedeutung anspricht. Dabei sollte von diesem kleinen Text nicht zu viel erwartet werden. Er bietet nicht so sehr Antworten, sondern wirft vielmehr Fragen auf, die von so grundlegender Bedeutung sind, dass sie eine stete und unerlässliche Befassung mit ihnen erfordern werden. Als Beispiel mag etwa dienen die Frage nach dem Begriff der Vernunft, die Ibn Taymiyya durch seine radikale Infragestellung des Vernunftbegriffs der philosophischen Tradition in großer Schärfe aufwirft. Oder auch die Frage nach dem Verhältnis von Vernunft und Offenbarung, die durch das Einreißen von deren dichotomischer Abgrenzung in neuem Licht erscheint. Dazu gehört auch die Frage nach dem Verhältnis von Koran und Wissenschaft, zu der durchaus problematische Positionen vertreten werden, die nichtsdestotrotz - oder gerade deswegen - Anlass zu vertiefenden Nachfragen bieten.

Dieser Text verspricht also in erster Linie eine Einführung in den Themenkomplex des Verhältnisses von Vernunft und Offenbarung und das Aufwerfen von Fragen, denen es in der Folge im Rahmen einer näheren Untersuchung nachzugehen gilt. Er hat dabei den Vorzug, uns mitten in die Problematik zu versetzen und doch zugleich in gewissem Sinne übersichtlich zu bleiben.

☽ ☽ ☽

Yasir Qadhi wurde vom International Institute of Islamic Thought (IIIT)1 zu einem Vortrag eingeladen, um seine Dissertation, die er soeben abgeschlossen hatte, vorzustellen. Das Thema der Dissertation ist das 11-bändige Werk von Ibn Taymiyya Darʾ taʿārudh al-ʿaql wa an-naql (Vermeidung des Konflikts von Vernunft und Offenbarung).2

Der folgende Text ist eine Übersetzung und zusammenfassende Paraphrase mit unwesentlichen Kürzungen des Vortrags von Yasir Qadhi, wobei die Nähe zum gesprochenen Wort durchaus gewahrt bleibt.

Die Aufnahme des Vortrags wurde als Video unter folgendem Titel veröffentlicht:

Yasir Qadhi - Reconciling Reason and Revelation in the Writings of Ibn Taymiyya (Versöhnung von Vernunft und Offenbarung in den Schriften von Ibn Taymiyya).3


1Website des IIIT: https://iiit.org

2Siehe seine Dissertation: Yasir Qadhi, Reconciling Reason and Revelation in the Writings of Ibn Taymiyya (d. 728/1328). An Analytical Study of Ibn Taymiyya's Darʾ al-taʿāruḍ, Yale University: unveröffentlichte Dissertation, 2013 (eingereicht unter dem Namen Yasir Kazi); zum Herunterladen verfügbar unter: https://archive.org/details/YasirQadhiDissertation.

3Siehe https://www.youtube.com/watch?v=46EF-mpC25E