1 Epistemischer Rassismus/Sexismus, verwestlichte Universitäten und die vier Genozide/Epistemizide des langen 16. Jahrhunderts

Autor: Yusuf Kuhn -
Autoren
Yusuf Kuhn & Daniel Rudolf
Textlänge des Kapitels in Buchseiten ca. 48

Dieser Artikel ist inspiriert von Enrique Dussels historischer und philosophischer Arbeit über die cartesianische Philosophie und die Eroberung der Amerikas. Er erörtert den epistemischen Rassismus/Sexismus, der für die Wissensstrukturen der verwestlichten Universität (Westernized University) von grundlegender Bedeutung ist. Der Artikel legt dar, dass das epistemische Privileg des westlichen Mannes (Western Man) in den Wissensstrukturen der verwestlichten Universitäten das Ergebnis von vier Genoziden/Epistemiziden (genocides/epistemicides) im langen 16. Jahrhundert ist (an der jüdischen und muslimischen alteingesessenen Bevölkerung bei der Eroberung von al-Andalus, an der indigenen Bevölkerung bei der Eroberung der Amerikas, an den in die Amerikas entführten und versklavten Afrikanern und an den Frauen, die in Europa bei lebendigem Leib verbrannt wurden, weil sie beschuldigt wurden, Hexen zu sein).

Der Artikel legt zudem dar, dass Dussels Argument in dem Sinne, dass die Bedingung der Möglichkeit für das cartesianische „Ich denke, also bin ich“ (ego cogito) Mitte des 17. Jahrhunderts die 150 Jahre des „Ich erobere, also bin ich“ (ego conquiro) sind, historisch durch den Genozid/Epistemizid des „Ich vernichte, also bin ich“ (ego extermino) vermittelt ist. Das „Ich vernichte“ ist die sozio-historische, strukturelle Vermittlung zwischen dem götzendienerischen „Ich denke“ und dem „Ich erobere“.

1.1 Einführung

Die Werke von Enrique Dussel, Befreiungstheologe und Befreiungsphilosoph, sind von grundlegender Bedeutung für alle, die sich für die Dekolonisation von Wissen und Macht interessieren. Er hat mehr als 65 Bücher veröffentlicht. Sein gigantischer Einsatz galt der Zerstörung der philosophischen Grundlagen und weltgeschichtlichen Narrative des Eurozentrismus. Er hat nicht nur herrschende Wissensstrukturen dekonstruiert, sondern auch einen Korpus von Werken in der Ethik, politischen Philosophie und politischen Ökonomie geschaffen, die international einen sehr großen Einfluss gewonnen haben. Seine Werke umfassen viele Bereiche der Gelehrsamkeit wie etwa politische Ökonomie, Weltgeschichte und Philosophie neben vielen anderen.

Dieser Artikel ist von Dussels Kritik an der cartesianischen Philosophie und seinen weltgeschichtlichen Werken über die Eroberung der Amerikas im langen 16. Jahrhundert inspiriert worden.1 Angeregt von Dussels Einsichten fügt der Artikel seinen zahlreichen Beiträgen eine weitere Dimension hinzu, indem er die Eroberung der Amerikas im Zusammenhang mit drei anderen weltgeschichtlichen Prozessen wie der Eroberung von al-Andalus, der Versklavung von Afrikanern in den Amerikas und der Ermordung von Millionen von Frauen, die in Europa bei lebendigem Leib verbrannt wurden, weil sie beschuldigt wurden, Hexen zu sein, im Verhältnis zu Wissensstrukturen untersucht.2

So, wie Dussel sich auf die genozidale Logik der Eroberung konzentrierte, verfolgt dieser Artikel die Implikationen der vier Genozide des 16. Jahrhunderts auf das, was Boaventura de Sousa Santos3 als „Epistemizid“ bezeichnet, das heißt die Vernichtung von Wissen und Wissensformen.4 Der Schwerpunkt dieses Artikels liegt im Wesentlichen auf der Entstehung moderner/kolonialer Wissensstrukturen als die grundlegende Epistemologie verwestlichter Universitäten und deren Auswirkungen auf die Dekolonisation des Wissens.

Die wichtigsten Fragen, die behandelt werden, sind die folgenden: Wie ist es möglich, dass der Kanon des Denkens in allen Disziplinen der Sozial- und Geisteswissenschaften in der verwestlichten Universität5 auf dem Wissen basiert, das von einigen wenigen Männern (men)6 aus fünf euro-nordamerikanischen Ländern (Italien, Frankreich, England, Deutschland und den USA) geschaffen wurde? Wie ist es möglich, dass Männer aus diesen fünf Ländern ein derartiges epistemisches Privileg erlangt haben, dass ihr Wissen dem Wissen der Rest der Welt gegenüber heute als überlegen angesehen wird? Wie kam es dazu, dass sie die Autorität über das Wissen in der Welt monopolisieren konnten? Wie kommt es, dass das, was wir heute als Gesellschaftstheorie, Geschichtsschreibung, Philosophie oder als Kritische Theorie kennen, auf den sozio-historischen Erfahrungen und Weltsichten von Männern aus diesen fünf Ländern beruht? Wenn man einen beliebigen Fachbereich der Sozial- oder Geisteswissenschaften betritt, beruht der zu lernende Kanon des Denkens im Wesentlichen auf Theorien, die von Männern aus den fünf oben genannten westlichen Ländern entwickelt wurden.7

Wenn jedoch Theorien aus der Konzeptualisierung, die auf den sozialen/historischen Erfahrungen und Empfindlichkeiten sowie der Weltsichten bestimmter Orte und Körper basieren, hervorgehen, dann sind sozialwissenschaftliche Theorien oder jede Theorie, die sich auf die Erfahrungen und Weltsichten von nur fünf Ländern der Welt beschränkt, gelinde gesagt provinziell. Aber dieser Provinzialismus wird durch einen Diskurs über „Universalität“ verschleiert. Die Behauptung lautet, dass das von den Männern dieser fünf Länder produzierte Wissen die magische Wirkung eines universalen Vermögens hat, das heißt, dass ihre Theorien genügen sollen, um die sozialen/geschichtlichen Realitäten im Rest der Welt zu erklären. Infolgedessen reduziert sich unsere Aufgabe in der verwestlichten Universität im Wesentlichen darauf, diese Theorien, die aus den Erfahrungen und Problemen einer speziellen Region der Welt (fünf Länder in Westeuropa und Nordamerika) mit ihren eigenen speziellen zeitlichen/örtlichen Dimensionen entstanden sind, zu lernen und sie auf andere geografische Orte „anzuwenden“, selbst wenn sich die Erfahrung und Zeit/Ort der ersteren von den letzteren gänzlich unterscheiden. Diese Gesellschaftstheorien, die auf den sozialgeschichtlichen Erfahrungen der Männer aus fünf Ländern beruhen, bilden heute die Grundlage der Sozial- und Geisteswissenschaften an den verwestlichten Universitäten. Die andere Seite dieses epistemischen Privilegs ist die epistemische Inferiorität. Epistemisches Privileg und epistemische Inferiorität sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Die Münze heißt epistemischer Rassismus/Sexismus.8

An verwestlichten Universitäten wird das Wissen anderer Epistemologien, Kosmologien und Weltsichten, die aus anderen Regionen der Welt mit unterschiedlichen Zeit/Ort-Dimensionen stammen und durch eine andere Geo- und Körperpolitik des Wissens charakterisiert sind, als „inferior“ im Vergleich zu dem „superiorem“ Wissen betrachtet, das von den wenigen westlichen Männern aus fünf Ländern hervorgebracht wird, die den Kanon des Denkens in den Geistes- und Sozialwissenschaften bilden. Das Wissen, das aus den sozialen/historischen Erfahrungen und Weltsichten des globalen Südens, auch bekannt als „nicht-westlich“, hervorgeht, gilt als inferior und nicht als Teil des Kanons des Denkens. Darüber hinaus wird das von Frauen (westliche wie nicht-westliche) hervorgebrachte Wissen ebenfalls als inferior und aus dem Kanon des Denkens ausgeschlossen betrachtet. Die grundlegenden Wissensstrukturen der verwestlichten Universität sind gleichzeitig epistemisch rassistisch und sexistisch. Was sind die weltgeschichtlichen Prozesse, die Wissensstrukturen hervorgebracht haben, die auf epistemischem Rassismus/Sexismus beruhen?

Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir einige Jahrhunderte zurückgehen und die Entstehung von Rassismus/​Sexismus in der modernen Welt und ihre Beziehung zur longue durée (lange Dauer) moderner Wissensstrukturen diskutieren. Da das cartesianische Erbe so einflussreich für die westlichen Wissensstrukturen war, beginnt dieser Artikel im ersten Teil mit einer Erörterung der cartesianischen Philosophie. Der zweite Teil befasst sich mit der Eroberung von al-Andalus. Der dritte Teil befasst sich mit der Eroberung der Amerikas und ihren Auswirkungen auf die Bevölkerung muslimischer und jüdischer Herkunft im Spanien des 16. Jahrhunderts sowie auf die afrikanische Bevölkerung, die in Afrika entführt und in den Amerikas versklavt wurde. Der vierte Teil befasst sich mit dem Genozid/Epistemizid an indoeuropäischen Frauen, die von der christlichen Kirche bei lebendigem Leib verbrannt wurden, weil sie beschuldigt wurden, Hexen zu sein. Im letzten Teil geht es um Enrique Dussels Projekt der Transmoderne (transmodernity) und was es bedeutet, die verwestlichte Universität zu dekolonisieren.

1.2 Die cartesianische Philosophie

Wir müssen jede Diskussion über die Strukturen des Wissens an den verwestlichten Universitäten mit der cartesianischen Philosophie beginnen. Die moderne Philosophie soll von René Descartes9 begründet worden sein.10

Descartes’ berühmtester Ausspruch „Ich denke, also bin ich“ stellt eine neue Grundlage des Wissens dar, die die Autorität der Christenheit11 über das Wissen seit dem Römischen Reich in Frage stellte. Die neue Grundlage des Wissens, die der Cartesianismus hervorbringt, ist nicht mehr der christliche Gott, sondern dieses neue „Ich“. Obwohl Descartes zu keiner Zeit definiert, wer dieses „Ich“ ist, ist es klar, dass dieses „Ich“ in seiner Philosophie Gott als die neue Grundlage des Wissens ablöst und seine Eigenschaften eine Säkularisierung der Attribute des christlichen Gottes darstellen. Für Descartes kann das „Ich“ ein Wissen hervorbringen, das eine Wahrheit jenseits von Zeit und Ort ist, universal in dem Sinne, dass es von jeglicher Partikularität unbedingt ist – „objektiv“ verstanden als im Sinne von „Neutralität“ und gleichwertig mit einem Blick mit dem Auge Gottes (God-Eye view).

Um den Anspruch auf ein „Ich“ zu erheben, das ein Wissen hervorbringt, das einem Blick mit dem Auge Gottes gleichwertig ist, führt Descartes zwei Hauptargumente an: eins ist ontologischer, das andere epistemologischer Natur. Beide Argumente bilden die Bedingung der Möglichkeit für den Anspruch, dass dieses „Ich“ ein Wissen hervorbringen kann, das einem Blick mit dem Auge Gottes gleichwertig ist. Das erste Argument ist der ontologische Dualismus. Descartes behauptet, dass der Geist aus einer anderen Substanz besteht als der Körper. Dies ermöglicht es dem Geist, vom Körper unbestimmt, unbedingt zu sein. Auf diese Weise kann Descartes behaupten, dass der Geist dem christlichen Gott gleicht, der im Himmel schwebt und durch nichts Irdisches bestimmt ist, und dass er ein Wissen hervorbringen kann, das einem Blick mit dem Auge Gottes gleichwertig ist. Die Universalität gleicht hier der Universalität des christlichen Gottes in dem Sinne, dass sie nicht durch irgendeine Partikularität bestimmt ist, sondern jenseits jeglicher partikularen Bedingung oder Existenz besteht. Das Bild Gottes in der Christenheit ist das eines weißen, alten, bärtigen Mannes mit einem Gehstock, der auf einer Wolke sitzt, alle beobachtet und jeden bestraft, der sich vergeht.

Was würde mit dem „Blick mit dem Auge Gottes“-Argument geschehen, wenn der Geist aus einer ähnlichen Substanz wie der Körper bestehen würde? Die hauptsächliche Implikation wäre, dass die Behauptung, ein menschliches „Ich“ könne einen Blick mit dem Auge Gottes vorweisen, hinfällig werden würde. Ohne den ontologischen Dualismus würde sich der Geist in einem Körper befinden, wäre von ähnlicher Substanz wie der Körper und somit von dem Körper bedingt. Letzteres würde bedeuten, dass Wissen von einem bestimmten Ort in der Welt aus erzeugt wird und es somit keine unsituierte Wissensproduktion gibt. Wenn dies der Fall ist, dann kann nicht mehr behauptet werden, dass ein menschliches „Ich“ ein Wissen hervorbringen kann, das einem Blick mit dem Auge Gottes gleichwertig ist.12

Das zweite Argument von Descartes ist epistemologischer Natur. Er behauptet, dass das „Ich“ Gewissheit in der Wissensproduktion nur durch die Methode des Solipsismus erlangen kann. Wie kann das „Ich“ den Skeptizismus bekämpfen und Gewissheit in der Wissensproduktion erlangen? Die Antwort von Descartes lautet, dass dies durch einen inneren Monolog des Subjekts mit sich selbst (himself) erreicht werden kann (das Geschlecht ist hier aus Gründen, die später erläutert werden, nicht zufällig). Bei der Methode des Solipsismus stellt und beantwortet das Subjekt in einem inneren Monolog Fragen, bis es Gewissheit im Wissen erlangt.

Was würde geschehen, wenn menschliche Subjekte Wissen dialogisch, das heißt in sozialen Beziehungen mit anderen Menschen, hervorbringen? Die wichtigste Konsequenz wäre, dass der Anspruch auf ein „Ich“, das isoliert von sozialen Beziehungen zu anderen Menschen Gewissheit im Wissen hervorbringen kann, hinfällig wird. Ohne epistemischen Solipsismus wäre das „Ich“ in bestimmten sozialen Beziehungen, in bestimmten sozialen/historischen Kontexten verortet, und es gäbe somit keine monologische, unsituierte und asoziale Wissensproduktion. Wenn Wissen in bestimmten sozialen Beziehungen, das heißt innerhalb einer bestimmten Gesellschaft, hervorgebracht wird, dann kann nicht behauptet werden, dass das menschliche „Ich“ ein Wissen hervorbringen kann, das einem Blick mit dem Auge Gottes gleichwertig ist.

Die cartesianische Philosophie hat großen Einfluss auf verwestlichte Projekte der Wissensproduktion ausgeübt. Die Unsituiertheit von Descartes’ Philosophie begründete die Ego-Politik des Wissens: ein „Ich“, das davon ausgeht, ein Wissen aus dem Nirgendwo hervorzubringen. Wie der kolumbianische Philosoph Santiago Castro-Gomez13 argumentiert, geht die cartesianische Philosophie von einer Nullpunkt-Epistemologie aus, das heißt von einem Gesichtspunkt, der von sich selbst nicht als Gesichtspunkt ausgeht.

Die Bedeutung von René Descartes für die verwestlichte Epistemologie zeigt sich darin, dass die verwestlichten Uni­versitäten das cartesianische Erbe auch nach 370 Jahren noch als Gültigkeitskriterium für Wissenschaft und Wissensproduktion aufrechterhalten. Selbst diejenigen, die der cartesianischen Philosophie kritisch gegenüberstehen, verwenden sie immer noch als Kriterium für die Unterscheidung zwischen Wissenschaft und Nicht-Wissenschaft. Die „Subjekt-Objekt“-Trennung, die als „Neutralität“ verstandene „Objektivität“, der Mythos eines EGO, das „unvoreingenommenes“ Wissen hervorbringt, das nicht von seinem Körper oder seiner Verortung bedingt ist, die Vorstellung von Wissen, das durch einen inneren Monolog ohne Verbindungen zu anderen Menschen hervorgebracht wird, und die Universalität, die als jenseits jeder Partikularität verstanden wird, sind immer noch die Kriterien für gültiges Wissen und Wissenschaft, die in den Disziplinen der verwestlichten Uni­versität verwendet werden. Jegliches Wissen, das den Anspruch erhebt, in der Körperpolitik14 oder Geopolitik des Wissens15 verortet zu sein, und zwar im Gegensatz zum Mythos des unsituierten Wissens der cartesianischen Ego-Politik des Wissens, wird als voreingenommen, ungültig, irrelevant, unseriös, also als inferiores Wissen verworfen.

Für die „Westliche-Männer-Tradition des Denkens“, die durch die cartesianische Philosophie begründet wurde, ist bedeutungsvoll, dass sie ein weltgeschichtliches Ereignis darstellte. Vor Descartes gab es keine Denktradition, die den Anspruch erhob, ein unsituiertes Wissen hervorzubringen, das gottgleich oder Gott gleichwertig ist. Dieser götzendienerische Universalismus der „Westliche-Männer-Tradition des Denkens“, den Descartes16 1637 begründete, gibt vor, Gott zu ersetzen und ein Wissen hervorzubringen, das gottgleich ist.

Die Dusselschen Fragen lauten: Was sind die politischen, ökonomischen, historischen und kulturellen Bedingungen der Möglichkeit für jemanden in der Mitte des 17. Jahrhunderts, eine Philosophie hervorzubringen, die den Anspruch erhebt, dem Auge Gottes gleichwertig zu sein und Gott zu ersetzen? Wer spricht und von welcher Körperpolitik des Wissens oder Geopolitik des Wissens aus spricht er?

Enrique Dussel17 antwortet auf diese Fragen mit dem folgenden Argument: Descartes’ „Ich denke, also bin ich“ geht ein 150 Jahre altes „Ich erobere, also bin ich“ voraus. Das ego conquiro ist die Bedingung der Möglichkeit von Descartes’ ego cogito. Dussel zufolge kommt die arrogante und götzendienerische gottgleiche Anmaßung der cartesianischen Philosophie aus der Perspektive von jemandem, der sich für das Zentrum der Welt hält, weil er die Welt bereits erobert hat. Wer ist dieses Sein/​Wesen (being)? Nach Dussel18 ist es das Imperiale Sein/Wesen (Imperial Being). Das „Ich erobere“, das mit der kolonialen Expansion der europäischen Männer im Jahr 1492 begann, ist die Grundlage und Bedingung der Möglichkeit des „Ich denke“, das alle Attribute des christlichen Gottes säkularisiert und Gott als neue Grundlage des Wissens ersetzt. Nach der Eroberung der Welt durch die europäischen Männer ist Gott als Grundlage des Wissens entbehrlich. Nachdem er die Welt erobert hatte, erwarb der europäische Mann „gottgleiche“ Eigenschaften, die ihm ein epistemisches Privileg verliehen.

Es gibt jedoch ein fehlendes Bindeglied zwischen dem „Ich erobere, also bin ich“ und dem „Ich denke, also bin ich“. Es besteht keine inhärente Notwendigkeit, aus dem „Ich erobere, also bin ich“ den „götzendienerischen Universalismus“ (den Blick mit dem Auge Gottes) oder den „epistemischen Rassismus/​Sexismus“ (die Inferiorität alles Wissens, das von Menschen stammt, die als nicht-westlich klassifiziert werden) abzuleiten. Was das „Ich erobere, also bin ich“ (ego conquiro) mit dem götzendienerischen, gottgleichen „Ich denke, also bin ich“ (ego cogito) verbindet, ist der epistemische Rassismus/Sexismus, der aus dem „Ich vernichte, also bin ich“ (ego extermino) hervorgeht. Es ist die gemeinsame Logik von Genozid/Epistemizid, die zwischen dem „Ich erobere“ und dem epistemischen Rassismus/​Sexismus des „Ich denke“ als neue Grundlage des Wissens in der modernen/kolonialen Welt vermittelt. Das ego extermino ist die sozio-historische strukturelle Bedingung, die das Bindeglied des ego conquiro mit dem ego cogito ermöglicht.

Im Folgenden wird argumentiert, dass die vier Genozide/Epistemizide des langen 16. Jahrhunderts die sozio-historische Bedingung der Möglichkeit für die Umwandlung des „Ich erobere, also bin ich“ in den epistemischen Rassismus/Sexismus des „Ich denke, also bin ich“ sind. Diese vier Genozide/Epistemizide im langen 16. Jahrhundert sind verübt worden:

  1. an den Muslimen und Juden bei der Eroberung von al-Andalus im Namen der „Reinheit des Blutes“ (limpieza de sangre);
  2. an den indigenen Völkern zunächst in den Amerikas und dann in Asien;
  3. an den afrikanischen Völkern mit dem Gefangenenhandel und ihrer Versklavung in den Amerikas;
  4. an den Frauen, die indoeuropäisches Wissen in Europa praktizierten und weitergaben, die bei lebendigem Leib verbrannt wurden, weil sie beschuldigt wurden, Hexen zu sein.

Diese vier Genozide/Epistemizide werden häufig als voneinander getrennt erörtert. Hier wird der Versuch unternommen, sie als miteinander verknüpft, aufeinander bezogen und als konstitutiv für die epistemischen Strukturen der modernen/kolonialen Welt zu betrachten. Diese vier Genozide waren zugleich Formen des Epistemizids, die für das epistemische Privileg der westlichen Männer konstitutiv sind. Um dieses Argument zu untermauern, müssen wir nicht nur die Geschichte durchgehen, sondern auch erklären, wie und wann der Rassismus daraus hervorgegangen ist.

 1.3 Die Eroberung von al-Andalus:
Der Genozid/Epistemizid an den Muslimen und Juden

Die endgültige Eroberung von al-Andalus im späten 15. Jahrhundert erfolgte unter der Parole der „Reinheit des Blutes“. Dies war ein proto-rassistischer Diskurs gegen die muslimische und jüdische Bevölkerung während der durch die katholische Monarchie betriebenen kolonialen Eroberung des andalusischen Gebietes mit dem Ziel, das Sultanat von Granada zu zerstören, das die letzte muslimische politische Autorität auf der Iberischen Halbinsel darstellte.19

Die Praxis der ethnischen Säuberung des andalusischen Gebietes führte zu einem physischen und kulturellen Genozid an Muslimen und Juden. Die in diesem Gebiet verbliebenen Juden und Muslime wurden entweder getötet (physischer Genozid) oder zur Konversion gezwungen (kultureller Genozid). Diese ethnische Säuberung wurde durch den folgenden Genozid (physisch) und Epistemizid (kulturell) erreicht:

  1. Die Zwangsvertreibung der Muslime und Juden aus ihrem Land (Genozid) führte zur Wiederbesiedlung des Gebietes mit christlichen Bevölkerungsgruppen aus dem Norden der Iberischen Halbinsel.20 Dies ist, was in der heutigen Literatur als „Siedlerkolonialismus“ bezeichnet wird.
  2. Die massive Zerstörung der islamischen und jüdischen Spiritualität und des Wissens durch Genozid führte zur Zwangskonversion (kultureller Genozid) derjenigen Juden und Muslime, die sich entschieden, in dem Gebiet zu bleiben.21 Durch die Umwandlung von Muslimen in Morisken (konvertierte Muslime) und von Juden in Marranen (konvertierte Juden) wurden ihre Erinnerung, ihr Wissen und ihre Spiritualität zerstört (kultureller Genozid). Letzteres war eine Garantie dafür, dass künftige Nachkommen von Marranen und Morisken als völlige Christen ohne jegliche Spur der Erinnerung an ihre Vorfahren geboren werden.

Der spanische Staatsdiskurs der „Reinheit des Blutes“ diente der Überwachung der muslimischen und jüdischen Bevölkerungsgruppen, die die Massaker überlebten. Um zu überleben und im Gebiet zu bleiben, wurden sie gezwungen, zum Christentum zu konvertieren.22 Diejenigen Bevölkerungsgruppen, die zur Konversion gezwungen wurden oder die jüdische oder muslimische Vorfahren hatten, wurden von der christlichen Monarchie überwacht, um sicherzustellen, dass sie ihre Konversion nicht nur vortäuschten.

Die „Reinheit des Blutes“ war ein Diskurs, der zur Überwachung der Konvertiten oder der Nachkommen der Konvertiten diente. Er bezog sich auf den „Stammbaum“ der Bevölkerung. Der „Stammbaum“ lieferte den staatlichen Behörden die Informationen, die sie brauchten, um herauszufinden, ob die Abstammung einer Person oder einer Familie „rein“ christlich oder „nicht-christlich“ war, falls es sich um christliche Konvertiten handelte.

Der Diskurs der „Reinheit des Blutes“ stellte die Menschlichkeit der Opfer nicht in Frage. Er zielte vielmehr darauf ab, die Bevölkerung mit nichtchristlichen Vorfahren auf ihre Ferne oder Nähe zum Christentum hin zu überprüfen, um festzustellen, ob die Konversion echt war oder nicht. Für die kastilische christliche Monarchie waren Muslime und Juden Menschen mit dem „falschen Gott“ oder der „falschen Religion“. Sie wurden als „fünfte Kolonne“ des osmanischen Sultanats auf der Iberischen Halbinsel betrachtet.23 So wurden bei der Eroberung von al‑Andalus die alten europäisch-mittelalterlichen religiös-diskriminierenden Diskurse wie die alten antisemitischen Diskurse (judeophob oder islamophob) gegen Juden und Muslime eingesetzt.

Es ist wichtig zu betonen, dass die alte antisemitische, europäisch-mittelalterliche religiöse Diskriminierung von Seiten der kastilischen christlichen Monarchie (Ende des 15. Jahrhunderts), da die Möglichkeit des Gesprächs noch offen war, noch nicht rassistisch war und sowohl Muslime als auch Juden unter den semitischen Völkern einschloss24. Solange die Muslime und Juden zum Christentum konvertierten, waren die Türen für die Integration während der Eroberung von al-Andalus durch die mittelalterlich-spanische Monarchie offen.25 Das Menschsein der Opfer wurde nicht in Frage gestellt. Was in Frage stand, war die religiöse Identität der sozialen Subjekte/Untertanen. Die damalige soziale Klassifizierung stand im Zusammenhang mit der theologischen Frage, ob man den „falschen Gott“ oder die „falsche Religion“ hatte, um die Gesellschaft nach religiösen Gesichtspunkten hierarchisch zu ordnen.

Worauf es hier ankommt, lässt sich dergestalt zusammenfassen: der Diskurs von der „Reinheit des Blutes“, der bei der Eroberung von al-Andalus eingesetzt wurde, stellte eine Form der religiösen Diskriminierung dar, die noch nicht gänzlich rassistisch war, weil er das Menschsein der Opfer nicht in einer grundsätzlichen Weise in Frage stellte.

1.4 Die Eroberung der Amerikas im Zusammenhang mit der Eroberung von al-Andalus: Genozid/Epistemizid an den indigenen Völkern, Marranen, Morisken und Afrikanern

Als Christoph Kolumbus dem König und der Königin der kastilischen Monarchie zum ersten Mal das Dokument „Das indische Unternehmen“ vorlegte, akzeptierten sie es und verschoben es auf die Zeit nach der Eroberung des gesamten als al-Andalus bekannten Gebietes. Sie befahlen Kolumbus, bis zur endgültigen Eroberung des „Königreichs von Granada“, des letzten Sultanats auf der Iberischen Halbinsel, zu warten. Die Idee der kastilischen christlichen Monarchie war es, das gesamte Gebiet durch die Herrschaft „eines Staates, einer Identität, einer Religion“ unter ihrer Befehlsgewalt zu vereinen, im Gegensatz zu al-Andalus, wo es mehrere islamische Staaten (Sultanate) gab, die die Rechte der „vielfältigen Identitäten und Spiritualitäten innerhalb ihrer territorialen Grenzen“ anerkannten.26

Das Projekt der kastilischen christlichen Monarchie, eine Korrespondenz zwischen der Identität des Staates und der Identität der Bevölkerung innerhalb seiner territorialen Grenzen zu schaffen, war der Ursprung der Idee des Nationalstaates in Europa. Das Hauptziel, das die Königin und der König gegenüber Kolumbus zum Ausdruck brachten, war die Vereinigung des gesamten Territoriums unter der Macht der christlichen Monarchie als ein erster Schritt vor der Eroberung anderer Länder jenseits der Iberischen Halbinsel.

Der endgültige Sieg über die muslimische politische Autorität auf der Iberischen Halbinsel wurde am 2. Januar 1492 mit der Kapitulation des Nasriden-Emirats von Granada abgeschlossen. Nur neun Tage später, am 11. Januar 1492, traf Kolumbus erneut mit Königin Isabella zusammen. Diesmal fand das Treffen im Nasriden-Palast der Alhambra von Granada statt, wo Kolumbus die königliche Genehmigung und die Mittel für seine erste Überseereise erhielt. Nur zehn Monate später, am 12. Oktober 1492, erreichte Kolumbus die Küste dessen, was er „Indias Occidentales“ (West-Indien) nannte, weil er fälschlicherweise glaubte, er sei in Indien angekommen.

Die Beziehung zwischen der Eroberung von al-Andalus und der Eroberung der Amerikas ist in der Literatur unzureichend erforscht. Die gegen al-Andalus angewandten Methoden der Kolonialisierung und Beherrschung wurden auf die Amerikas übertragen.27 Die Eroberung von al-Andalus war im Denken der spanischen Eroberer von so großer Bedeutung, dass Hernan Cortés, der Eroberer Mexikos, die heiligen Tempel der Azteken mit Moscheen verwechselte.

Zusätzlich zum Genozid an Menschen ging die Eroberung von al-Andalus auch mit einem Epistemizid einher. So war beispielsweise die Verbrennung von Bibliotheken eine grundlegende Methode, die bei der Eroberung von al-Andalus angewandt wurde. Die Bibliothek von Córdoba, die zu einer Zeit, als die größte Bibliothek des christlichen Europas nicht mehr als 1000 Bücher enthielt, rund 500 000 Bücher umfasste, wurde im 13. Jahrhundert verbrannt. Viele andere Bibliotheken ereilte während der Eroberung von al-Andalus das gleiche Schicksal, bis zur letzten Verbrennung von mehr als 250 000 Büchern der Bibliothek von Granada Anfang des 16. Jahrhunderts durch Kardinal de Cisneros. Diese Methoden wurden auf die Amerikas übertragen. So geschah das Gleiche mit den indigenen „Codices“, die die Schreibpraxis war, die von den Amerindianern zur Archivierung von Wissen verwendet wurde. Tausende von „Codices“ wurden ebenfalls verbrannt, was das indigene Wissen in den Amerikas vernichtete. Genozid und Epistemizid gingen im Zuge der Eroberung sowohl der Amerikas als auch von al-Andalus zusammen.

Ein ähnlicher Prozess vollzog sich bei den Methoden der Evangelisierung, die gegen die indigene Bevölkerung in den Amerikas eingesetzt wurden.28 Sie wurden von den Methoden inspiriert, die gegen die Muslime auf der Iberischen Halbinsel eingesetzt wurden.29 Es handelte sich um eine Form von „Spiritualizid“ und „Epistemizid“ zugleich. Die Zerstörung von Wissen und Spiritualität ging gleichermaßen bei der Eroberung sowohl von al-Andalus als auch der Amerikas zusammen.

Es ist jedoch auch von grundlegender Bedeutung zu verstehen, wie sich die Eroberung der Amerikas auf die Eroberung der „Morisken“ (konvertierte Muslime) und „Marranen“ (konvertierte Juden) auf der Iberischen Halbinsel im 16. Jahrhundert auswirkte. Die Eroberung der Amerikas stand im Zentrum der neuen Diskurse und Formen der Beherrschung, die im langen 16. Jahrhundert mit der Schaffung des modernen/kolonialen Weltsystems aufkamen. Hier ist der Beitrag von Nelson Maldonado-Torres von entscheidender Bedeutung, wenn er sagt, dass das 16. Jahrhundert die alten Formen der imperialen sozialen Klassifizierung umwälzte, die seit dem 4. Jahrhundert existierte, als das Christentum unter Konstantin die herrschende Ideologie des Römischen Reiches wurde. Wie Maldonado-Torres schrieb:

[...] die konzeptuellen Koordinaten, die den „Kampf für das Reich“ und die Formen der sozialen Klassifizierung des 4. Jahrhunderts und der späteren Jahrhunderte vor der „Entdeckung“ und Eroberung der Amerikas definierten, ändern sich im 16. Jahrhundert drastisch. Das Verhältnis zwischen Religion und Reich sollte im Mittelpunkt eines dramatischen Wandels von einem System der Macht, das auf religiösen Unterschieden beruhte, zu einem, das auf rassialistischen Unterschieden basierte, stehen. Gerade aus diesem Grund sollte die vorherrschende Episteme in der Moderne nicht nur durch die Spannung zwischen und das gegenseitige Zusammenwirken der Idee der Religion und der imperialen Vision der bekannten Welt definiert werden, sondern, genauer gesagt, durch eine dynamische Beziehung zwischen Reich, Religion und Rasse. Ideen über Rasse, Religion und Reich fungierten als wichtige Achsen in der Vorstellungswelt der entstehenden modernen/kolonialen Welt […].30

Wenn die militärischen und zur Evangelisation eingesetzten Methoden der Eroberung, die in al-Andalus zur Anwendung kamen, um Genozid und Epistemizid herbeizuführen, auf die Eroberung der indigenen Völker in den Amerikas übertragen wurden, schuf die Eroberung der Amerikas auch eine neue rassialistische Vorstellungswelt und eine rassialistische Hierarchie, die die Eroberung der Morisken und Marranen auf der Iberischen Halbinsel im 16 Jahrhundert umgestaltete. Die Eroberung der Amerikas wirkte sich auf die alten Formen der mittelalterlichen religiösen Diskriminierung der Morisken und Marranen im Spanien des 16. Jahrhunderts aus. Der erste Punkt, der in dieser Geschichte hervorgehoben werden muss, ist, dass Kolumbus, als er am 12. Oktober 1492 nach monatelanger Navigation durch den Atlantischen Ozean vom Schiff stieg, Folgendes in sein Tagebuch schrieb:

[…] allein mir schien es, als litten sie Mangel an allen Dingen.
Sie gehen nackend umher, so wie Gott sie erschaffen hat […]
Sie müssen gewiss treue und kluge Diener sein, da ich die Erfahrung machte, dass sie in Kürze alles, was ich sagte, zu wiederholen verstanden; überdies glaube ich, dass sie leicht zum Christentum übertreten können, da sie allem Anschein nach keiner Sekte angehören.31

Diese Aussage von Christoph Kolumbus löste eine Debatte aus, die die nächsten 60 Jahre (1492-1552) andauerte. Wie Nelson Maldonado-Torres32 argumentiert, bedeutete Kolumbus’ Ausdruck „Völker ohne Sekte“ („Völker ohne Religion“) im späten 15. Jahrhundert etwas Neues. Wenn man heute „Völker ohne Religion“ sagt, bedeutet das „atheistische Völker“. In der christlichen Vorstellungswelt des späten 15. Jahrhunderts hatte der Ausdruck „Völker ohne Religion“ jedoch eine andere Konnotation. In der christlichen Vorstellungswelt haben alle Menschen eine Religion. Sie konnten den „falschen Gott“ oder die „falschen Götter“ haben, es konnte Kriege geben, und die Völker konnten sich im Kampf gegen den „falschen Gott“ gegenseitig umbringen, aber das Menschsein des Anderen, als Entwicklungsrichtung und als Form der Beherrschung, wurde noch nicht in Frage gestellt. Was in Frage gestellt wurde, war die Theologie des „Anderen“. Letzteres hat sich nach 1492 mit der Eroberung der Amerikas und der Charakterisierung der indigenen Völker durch Christoph Kolumbus als „Völker ohne Religion“ radikal verändert. Eine anachronistische Lesart dieses Ausdrucks könnte uns zu der Annahme verleiten, dass Kolumbus „atheistische Völker“ meinte. Aber keine Religion zu haben, war in der damaligen christlichen Vorstellungswelt gleichbedeutend damit, keine Seele zu haben, das heißt aus dem Bereich des Menschlichen ausgeschlossen zu sein. Wie Nelson Maldonado-Torres schrieb:

Indem man die Indigenen als Subjekte/Untertanen ohne Religion bezeichnet, werden sie aus der Kategorie der Menschen entfernt. Die Religion ist unter den Menschen universal, aber das vermeintliche Fehlen derselben bei den Indigenen darf zunächst nicht als Hinweis auf die Falschheit dieser Aussage gewertet werden, sondern im Gegenteil als Hinweis darauf, dass es in der Welt Subjekte/Untertanen gibt, die nicht gänzlich menschlich sind.33

Kolumbus’ Behauptung über das Fehlen von Religion bei den Eingeborenen führt eine anthropologische Bedeutung dieses Ausdrucks ein. In Anbetracht dessen, was wir hier gesehen haben, ist es notwendig hinzuzufügen, dass diese anthropologische Bedeutung auch mit einer sehr modernen Methode, die Menschen zu klassifizieren, verbunden ist: die rassialistische Klassifizierung. Mit einem Schlag hat Kolumbus den Diskurs über die Religion aus dem theologischen Bereich in eine moderne philosophische Anthropologie überführt, die zwischen verschiedenen Graden des Menschseins durch Identitäten unterscheidet, die in das unterteilt werden, was man später als Rassen bezeichnen würde.34

Im Gegensatz zum heute üblichen Verständnis war der „Hautfarben-Rassismus“ nicht der erste rassistische Diskurs. Der „religiöse Rassismus“ („Völker mit Religion“ versus „Völker ohne Religion“ oder „Völker mit Seele“ versus „Völker ohne Seele“) war das erste Kennzeichen des Rassismus im „kapitalistischen/patriarchalischen west-/christozentrischen modernen/kolonialen Weltsystem“,35 das sich im langen 16. Jahrhundert herausbildete. Die Definition von „Völker ohne Religion“ wurde im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert in Spanien geprägt. Die durch die Eroberung der Amerikas ausgelöste Debatte drehte sich um die Frage, ob die „Völker ohne Religion“, die Kolumbus auf seinen Reisen vorfand, „Völker mit einer Seele oder ohne Seele“ waren. Die Logik des Arguments lautete wie folgt: 

  1. Wer keine Religion hat, der hat auch keinen Gott;
  2. wer keinen Gott hat, der hat auch keine Seele; und
  3. wer keine Seele hat, der ist nicht menschlich, sondern tiergleich.

Die Debatte verwandelte „Völker ohne Religion“ in „Völker ohne Seele“. Diese koloniale rassistische Debatte löste einen Bumerangeffekt aus, der die herrschende Vorstellungswelt der Zeit und die mittelalterlichen religiös-diskriminierenden Diskurse neu definierte und veränderte. Das Konzept der „Reinheit des Blutes“ erhielt eine neue Bedeutung. Die „Reinheit des Blutes“ war nicht länger eine Technologie der Macht, um Personen zu überwachen, die muslimische oder jüdische Vorfahren im Stammbaum haben, um sicherzustellen, dass sie ihre Konversion nicht vortäuschen, wie bei der Eroberung von al-Andalus im 15. Jahrhundert. Die Bedeutung der „Reinheit des Blutes“ nach der Eroberung der Amerikas mit dem Aufkommen des Konzepts der „Völker ohne Seele“ verlagerte sich von einer theologischen Frage über die „falsche Religion“ zu einer Frage über das Menschsein des Subjekts/Untertans, das/der die „falsche Religion“ praktiziert.36

Die große Debatte in den ersten fünf Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts drehte sich folglich um die Frage, ob „Indianer“ eine Seele haben oder nicht. In der Praxis versklavten sowohl die Kirche als auch der spanische imperiale Staat die indigene Bevölkerung bereits massiv, wobei sie von der Vorstellung ausgingen, dass „Indianer“ keine Seele haben. Staatlicher Rassismus ist kein Phänomen, das erst nach dem 18. Jahrhundert auftrat, sondern ein Phänomen, das bereits nach der Eroberung der Amerikas im 16. Jahrhundert aufkam.

Innerhalb der Kirche gab es jedoch kritische Stimmen, die diese Vorstellung in Frage stellten und vorschlugen, dass „Indianer“ eine Seele hätten, aber Barbaren seien, die christianisiert werden müssten.37 Sie behaupteten, da die „Indianer“ eine Seele hätten, sei es in den Augen Gottes eine Sünde, sie zu versklaven, und die Aufgabe der Kirche müsse es sein, sie mit friedlichen Methoden zu christianisieren. Diese Debatte war die erste rassistische Debatte der Weltgeschichte, und „Indianer“ als Identität war die erste moderne Identität.

Die Kategorie „Indianer“ stellte eine neue moderne/koloniale Identitätserfindung dar, die die heterogenen Identitäten, die in den Amerikas vor der Ankunft der Europäer existierten, homogenisierte. Es ist auch wichtig, sich daran zu erinnern, dass Kolumbus glaubte, in Indien angekommen zu sein, was zur Verwendung des Begriffes „Indianer“ führte, um die Bevölkerungen zu benennen, auf die er traf. Aus diesem eurozentrischen geografischen Irrtum heraus entstand der Begriff „Indianer“ als eine neue Identität. Aber die Frage, ob „Indianer“ eine Seele haben oder nicht, war bereits eine rassistische Frage, die sich direkt auf die Frage nach ihrem Menschsein bezog.38

In der christlichen Vorstellungswelt des 16. Jahrhunderts hatte diese Debatte wichtige Auswirkungen. Wenn die „Indianer“ keine Seele hatten, dann war es in den Augen Gottes gerechtfertigt, sie zu versklaven und sie im Arbeitsprozess wie Tiere zu behandeln. Wenn sie aber eine Seele hatten, dann war es in den Augen Gottes eine Sünde, sie zu versklaven, zu ermorden oder schlecht zu behandeln. Diese Debatte war ausschlaggebend für die Veränderung der alten europäisch-mittelalterlichen religiös-diskriminierenden Diskurse und Praktiken. Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts wurden die alten islamophoben und judeophoben Diskurse mit dem „falschen Gott“, der „falschen Theologie“ und dem Einfluss des Satans in der „falschen Religion“ in Verbindung gebracht, ohne das Menschsein ihrer Anhänger in Frage zu stellen.39 Für die Opfer dieser diskriminierenden Diskurse bestand die Möglichkeit der Konversion. Doch mit der Kolonisierung der Amerikas mutierten diese alten mittelalterlichen religiös-diskriminierenden Diskurse rasch und verwandelten sich in moderne rassialistische Beherrschung.

Auch wenn das Wort „Rasse“ damals nicht verwendet wurde, war die Debatte über die Frage nach dem Haben einer Seele oder ihrem Nicht-Haben bereits eine rassistische Debatte im Sinne des wissenschaftlichen Rassismus des 19. Jahrhunderts. Die theologische Debatte des 16. Jahrhunderts über die Frage nach dem Haben einer Seele oder ihrem Nicht-Haben hatte dieselbe Bedeutung wie die wissenschaftlichen Debatten des 19. Jahrhunderts über die Frage nach dem Haben der menschlichen biologischen Verfassung oder ihrem Nicht-Haben. In beiden Fällen handelte es sich um Debatten über das Mensch- oder Tiersein der Anderen, die durch den institutionellen rassistischen Diskurs von Staaten wie der kastilischen christlichen Monarchie im 16. oder den westeuropäischen imperialen Nationalstaaten im 19. Jahrhundert artikuliert wurden. Diese institutionellen rassistischen Logiken des „Habens einer Seele“ im 16. oder des „Nicht-Habens der menschlichen Biologie“ im 19. Jahrhundert wurden zum Organisationsprinzip der internationalen Arbeitsteilung und der kapitalistischen Akkumulation im Weltmaßstab.

Die Debatte hielt bis zum berühmten Prozess von Valladolid gegen die Schule von Salamanca im Jahr 1552 an. Da die christliche Theologie und die Kirche zu dieser Zeit die Autorität über das Wissen darstellten, legte die christlich-spanische imperiale Monarchie die Frage, ob „die Indianer eine Seele haben oder nicht“, in die Hände eines Tribunals unter christlichen Theologen. Die Theologen waren Bartolomé de las Casas und Ginés Sepúlveda. Nach 60 Jahren (1492-1552) Debatte beauftragte die christlich-spanische imperiale Monarchie schließlich ein christlich-theologisches Tribunal, eine endgültige Entscheidung über das Menschsein oder Nicht-Menschsein der „Indianer“ zu treffen.

Bekanntlich vertrat Ginés Sepúlveda den Standpunkt, dass „Indianer“ „Völker ohne Seele“ seien und daher Tiere, die im Arbeitsprozess versklavt werden könnten, ohne in den Augen Gottes eine Sünde zu sein. Ein Teil seines Arguments, mit dem er die Inferiorität der „Indianer“ unterhalb der Grenze des Menschseins beweisen wollte, war das Argument des modernen Kapitalismus, dass „Indianer“ keinen Sinn für Privateigentum und keine Vorstellung von Märkten hätten, weil sie in kollektiven Formen produzierten und den Reichtum untereinander aufteilten.

Bartolomé de las Casas vertrat die Ansicht, dass die „Indianer“ eine Seele hätten, sich aber in einem barbarischen Stadium befänden, das der Christianisierung bedürfe. Für Las Casas war es daher in den Augen Gottes eine Sünde, sie zu versklaven. Er schlug vor, sie zu „christianisieren“. Sowohl Las Casas als auch Sepúlveda stehen für die Einführung der beiden großen rassistischen Diskurse mit lang anhaltenden Folgen, die von den westlichen imperialen Mächten für die nächsten 450 Jahre mobilisiert werden sollten: biologisch-rassistische Diskurse und kulturell-rassistische Diskurse.

Der biologisch-rassistische Diskurs ist eine wissenschaftlich geprägte Säkularisierung des theologisch-rassistischen Diskurses von Sepúlveda im 19. Jahrhundert. Als die Autorität über das Wissen im Westen nach dem Projekt der Aufklärung im 18. Jahrhundert und der Französischen Revolution von der christlichen Theologie auf die modernen Wissenschaften überging, mutierte der theologisch-rassistische Diskurs von Sepúlveda über „Völker ohne Seele“ mit dem Aufkommen der Naturwissenschaften zu einem biologisch-rassistischen Diskurs über „Völker ohne menschliche Biologie“ und später „Völker ohne Gene“ (ohne die menschliche Genetik). Dasselbe geschah mit dem Diskurs von Bartolomé de las Casas. Der theologische Diskurs von Las Casas über „zu christianisierende Barbaren“ im 16. Jahrhundert verwandelte sich mit dem Aufkommen der Sozialwissenschaften in einen anthropologischen kulturell-rassistischen Diskurs über „zu zivilisierende Primitive“.

Der Ausgang des Prozesses von Valladolid ist ebenfalls bekannt: Obwohl Sepúlvedas’ Auffassung auf lange Sicht siegte, gewann Las Casas den Prozess auf kurze Sicht. So entschied die spanische imperiale Monarchie, dass „Indianer“ eine Seele haben, aber Barbaren sind, die christianisiert werden müssen. Daher wurde anerkannt, dass es in den Augen Gottes eine Sünde war, sie zu versklaven. Die Schlussfolgerung bedeutete dem Anschein nach die Befreiung der „Indianer“ von der spanischen Kolonialherrschaft. Dies war jedoch nicht der Fall. Die „Indianer“ wurden im Rahmen der internationalen Arbeitsteilung von der Sklavenarbeit in eine andere Form der Zwangsarbeit, bekannt als „Encomendia“, überführt. Seitdem wurde die Idee der Rasse und des institutionellen Rassismus als Organisationsprinzip der internationalen Arbeitsteilung und der kapitalistischen Akkumulation im Weltmaßstab in einer systematischeren Weise institutionalisiert.

Während die „Indianer“ in der „Encomendia“ als Zwangsarbeiter eingesetzt wurden, wurden die Afrikaner, die bereits als „Völker ohne Seele“ eingestuft worden waren, in die Amerikas gebracht, um die „Indianer“ in der Sklavenarbeit zu ersetzen. Afrikaner wurden damals als Muslime angesehen, und die Rassialisierung der Muslime im Spanien des 16. Jahrhunderts wurde auf sie ausgedehnt. Die Entscheidung, Gefangene aus Afrika zu holen, um sie in den Amerikas zu versklaven, stand in direktem Zusammenhang mit dem Abschluss des Prozesses von Valladolid im Jahre 1552. Damit begann die massive Entführung und der Gefangenenhandel von Afrikanern, der für die nächsten 300 Jahre zwangsweise durchgesetzt werden sollte. Mit der Versklavung der Afrikaner wurde der religiöse Rassismus durch den Hautfarben-Rassismus ergänzt oder langsam ersetzt. Seitdem wurde der anti-schwarze Rassismus zu einer grundlegenden, konstitutiven, strukturierenden Logik der modernen/kolonialen Welt.

Die Entführung von Afrikanern und ihre Versklavung in den Amerikas war ein großes und bedeutendes weltgeschichtliches Ereignis.40 Millionen von Afrikanern starben bei der Gefangennahme, dem Transport und der Versklavung in den Amerikas. Dies war ein Genozid von gewaltigem Ausmaß. Doch wie in den anderen oben beschriebenen Fällen war der Genozid seinem Wesen nach Epistemizid. Den Afrikanern in den Amerikas wurde verboten, zu denken, zu beten oder ihre Kosmologien, ihre Kenntnisse und ihre Weltbilder zu praktizieren. Sie wurden einem Regime des epistemischen Rassismus unterworfen, das ihre autonome Wissensproduktion verbot. Die epistemische Inferiorität war ein entscheidendes Argument, mit dem die biologisch-soziale Inferiorität unterhalb der Grenze des Menschseins behauptet wurde. Die rassistische Vorstellung des späten 16. Jahrhunderts bestand darin, dass es „Negern an Intelligenz fehlt“, was sich im 20. Jahrhundert in „Neger haben einen niedrigen IQ“ umwandelte.

Eine weitere Folge der Debatte über die „Indianer“ und das Tribunal von Valladolid war ihre Auswirkung auf die Morisken und Marranen im Spanien des 16. Jahrhunderts. Die alten islamophoben und judeophoben mittelalterlichen religiös-diskriminierenden Diskurse gegen Juden und Muslime wurden in rassistische Diskriminierung umgewandelt. Es ging nicht mehr um die Frage, ob die religiös-diskriminierte Bevölkerung den falschen Gott oder die falsche Theologie hat. Der anti-indigene religiöse Rassismus, der das Menschsein der „Indianer“ in Frage stellte, wurde auf die Morisken und Marranen übertragen, indem das Menschsein derjenigen in Frage gestellt wurde, die zum „falschen Gott“ beteten. Diejenigen, die zum „falschen Gott“ beteten, wurden als seelenlos, als „seelenlose Subjekte/Untertanen“ („sujetos desalmados“), als Nicht- oder Untermenschen betrachtet. Ähnlich wie die indigenen Völker in den Amerikas wurden sie aus dem „Reich des Menschlichen“ ausgeschlossen und als „tiergleich“ beschrieben.41

Letzteres stellte eine radikale Veränderung dar, die von der Inferiorität der nichtchristlichen Religionen (Islam und Judentum) im mittelalterlichen Europa zur Inferiorität der Menschen führte, die diese Religionen im neu entstehenden Europa der Neuzeit praktizierten (Juden und Muslime). Demnach ist es ein Ergebnis der Wirkung der Eroberung der Amerikas im 16. Jahrhundert, dass sich die alte europäische, islamophobe und judeophobe, antisemitisch-religiöse Diskriminierung, die auf die Kreuzzüge und davor zurückgeht, in eine rassialistische Diskriminierung wandelte. Dies ist der Bumerangeffekt des Kolonialismus, der auf Europa zurückschlägt.

Die Verflechtung zwischen der religiösen christozentrischen globalen Hierarchie und der rassialistischen/ethnischen westzentrischen Hierarchie des „kapitalistischen/patriarchalischen west-/christozentrischen modernen/kolonialen Weltsystems“, das nach 1492 geschaffen wurde, identifizierte die Anhänger einer nicht-christlichen Spiritualität damit, als inferiore Wesen unterhalb der Grenze des Menschseins rassialisiert worden zu sein.

Im Gegensatz zu eurozentrischen Erzählungen wie der von Foucault42, der den Übergang vom religiösen Antisemitismus zum rassialistischen Antisemitismus im 19. Jahrhundert zusammen mit dem Aufkommen des wissenschaftlichen Rassismus verortet, entstand der antisemitische Rassismus im Spanien des 16. Jahrhunderts, als die alte mittelalterliche antisemitisch-religiöse Diskriminierung mit der neuen modernen rassialistischen Vorstellungswelt verwoben wurde, die durch die Eroberung der Amerikas entstand. Die neue rassialistische Vorstellungswelt verwandelte den alten religiösen Antisemitismus zum rassialistischen Antisemitismus. Im Gegensatz zu Foucaults Auffassung war dieser antisemitische Rassismus des 16. Jahrhunderts bereits als staatlicher biopolitischer Rassismus institutionalisiert.43

Das Konzept der „Völker ohne Seele“ wurde nicht sofort auf die Morisken übertragen. Es dauerte mehrere Jahrzehnte im 16. Jahrhundert, bis es auf die Morisken übertragen wurde. Erst nach Mitte des 16. Jahrhunderts und insbesondere während des Prozesses von Alpujarras44 wurden die Morisken zu den „seelenlose Völkern“ („sujetos desalmados“) gerechnet. Darüber hinaus wurden die Morisken, da sie als „seelenlose Völker“ kategorisiert wurden, infolgedessen ab Mitte des 16. Jahrhunderts in Granada massiv versklavt. Trotz des Verbots der christlichen Kirche, Christen und christlich getaufte Menschen zu versklaven, wurden Morisken (zum Christentum konvertierte Muslime) weiterhin versklavt.45

Nun wurde „Reinheit des Blutes“ mit „seelenlosen Völkern“ in Verbindung gebracht, was die Frage danach, wie assimiliert sie an das Christentum waren, irrelevant machte. Ihr Wesen selbst wurde in Frage gestellt, sodass ihr Menschsein beargwöhnt wurde. Daher wurden sie von nun an weder als echte Christen noch als den Christen gleichgestellt betrachtet. Der Anti-Morisken-Rassismus verschärfte sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bis zu ihrer Massenvertreibung von der Iberischen Halbinsel im Jahr 1609.46

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Eroberung der Amerikas im 16. Jahrhundert den Prozess des Genozids/Epistemizids, der mit der Eroberung von al-Andalus begann, auf neue Subjekte/Untertanen wie indigene Völker und Afrikaner ausweitete, während sie gleichzeitig durch eine neue rassialistische Logik den Genozid/Epistemizid an Christen jüdischer und muslimischer Herkunft in Spanien intensivierte.

1.5 Die Eroberung indoeuropäischer Frauen: Genozid/Epistemizid an Frauen

Es gibt einen vierten Genozid/Epistemizid im 16. Jahrhundert, der nicht allzu oft mit der Geschichte der drei zuvor beschriebenen Genozide/Epistemizide in Verbindung gebracht wird.47 Es handelt sich um die Eroberung von und den Genozid an Frauen in europäischen Ländern, die indoeuropäisches Wissen von Generation zu Generation weitergaben.

Diese Frauen beherrschten das indigene Wissen der Antike. Ihr Wissen umfasste verschiedene Bereiche wie Astronomie, Medizin, Biologie, Ethik usw. Sie wurden ermächtigt vom Besitz des Wissens ihrer Vorfahren und ihrer führenden Rolle in den Gemeinschaften, die sich um Formen ökonomischer und politischer Organisation, die Kommunen glichen, gruppierten. Die Verfolgung dieser Frauen begann im Spätmittelalter. Sie verschärfte sich jedoch im 16. und 17. Jahrhundert (also im langen 16. Jahrhundert) mit dem Aufkommen der „modernen/kolonialen kapitalistischen/patriarchalischen“ Machtstrukturen.

Millionen von Frauen wurden in der Frühen Neuzeit bei lebendigem Leib verbrannt, weil sie beschuldigt wurden, Hexen zu sein. Angesichts ihrer Autorität und Führungsrolle war der Angriff auf diese Frauen eine Strategie zur Konsolidierung des christlich geprägten Patriarchats und zur Zerstörung autonomer kommunaler Formen des Landbesitzes. Die Inquisition stand bei dieser Offensive an vorderster Front. Die Beschuldigung war ein Angriff auf Tausende von Frauen, deren Autonomie, Führungsrolle und Wissen die christliche Theologie, die kirchliche Autorität und die Macht der Aristokratie bedrohten, die sich sowohl in den Kolonien als auch in der europäischen Landwirtschaft transnational zu einer kapitalistischen Klasse umwandelte.48

Silvia Federici49 argumentiert, dass sich diese Hexenjagd zwischen 1550 und 1650 intensivierte. Sie vertritt die These, dass die Hexenverfolgung von Frauen auf europäischem Boden mit der ursprünglichen Akkumulation während der frühkapitalistischen Expansion bei der Herausbildung der Arbeitskraftreserve für den globalen Kapitalismus zusammenhing. Sie brachte die Versklavung der Afrikaner in den Amerikas mit der Hexenverfolgung von Frauen in Europa als zwei Seiten derselben Medaille zusammen: Kapitalakkumulation im Weltmaßstab, die die Einbindung von Arbeitskräften in den kapitalistischen Akkumulationsprozess erfordert. Um dies zu erreichen, bedienten sich die kapitalistischen Institutionen extremer Formen der Gewalt.

Im Gegensatz zum Epistemizid an indigenen Völkern und Muslimen, bei dem Tausende von Büchern verbrannt wurden, gab es im Fall des Genozids/Epistemizids an indoeuropäischen Frauen keine Bücher zu verbrennen, da die Weitergabe des Wissens von Generation zu Generation durch mündliche Überlieferung erfolgte. Die „Bücher“ waren die Körper der Frauen, und so wurden sie, gleich den andalusischen und indigenen „Büchern“, bei lebendigem Leib verbrannt.

1.6 Konsequenzen der vier Genozide/Epistemizide für globale Wissensstrukturen: Die Herausbildung von epistemischen/sexistischen Strukturen und die Hoffnung auf eine zukünftige transmoderne Welt

Die vier bereits erwähnten Genozide/Epistemizide des langen 16. Jahrhunderts schufen rassialistische/patriarchalische Macht- und epistemische Strukturen im Weltmaßstab, die mit Prozessen der globalen kapitalistischen Akkumulation verwoben waren. Als Descartes im 17. Jahrhundert von Amsterdam50 aus „Ich denke, also bin ich“ schrieb, konnte dieses „Ich“ nach dem „Commonsense“ der damaligen Zeit weder ein Afrikaner, ein Indigener, ein Muslim, ein Jude noch eine (westliche oder nicht-westliche) Frau sein. Alle diese Subjekte/Untertanen galten in der globalen rassialistischen/patriarchalischen Machtstruktur bereits als „inferior“ und ihr Wissen wurde in Folge der vier Genozide/Epistemizide des 16. Jahrhunderts als inferior erachtet. Der einzige, der als epistemisch superior übrig blieb, war der westliche Mann. Im hegemonialen „Commonsense“ der damaligen Zeit war dieses „Ich“ das eines westlichen Mannes. 

Die vier Genozide/Epistemizide sind konstitutiv für die rassistischen/sexistischen epistemischen Strukturen, die eine epistemische Privilegierung und Autorität der Wissensproduktion des westlichen Mannes und eine Inferiorität des Restes erzeugten. Wie Maldonado-Torres51 bekräftigt, ist die andere Seite des „Ich denke, also bin ich“ die rassistische/sexistische Struktur des „Ich denke nicht, also bin ich nicht“. Letztere drückt eine „Kolonialität des Seins“ (coloniality of being) aus,52 in der alle Subjekte/Untertanen, die als inferior erachtet werden, nicht denken und nicht daseinswürdig sind, weil ihr Menschsein in Frage gestellt wird. Sie gehören zur Fanonschen „Zone des Nicht-Seins“ oder zur Dusselschen „Exteriorität“.

Verwestlichte Universitäten haben von Anfang an die rassistischen/sexistischen epistemischen Strukturen verinnerlicht, die durch die vier Genozide/Epistemizide des 16. Jahrhunderts geschaffen worden sind. Diese eurozentrischen Wissensstrukturen wurden zum „Commonsense“. Es wird als normal angesehen, dass nur westliche Männer aus 5 Ländern den Kanon des Denkens in all den akademischen Disziplinen der verwestlichten Universität erzeugen. Darin liegt kein Skandal, denn sie sind ein Spiegelbild der normalisierten rassistischen/sexistischen epistemischen Wissensstrukturen der modernen/kolonialen Welt.

Als sich die verwestlichte Universität im späten 18. Jahrhundert von einer christlich-theologischen Universität in die säkulare Humboldtsche Universität verwandelte, bediente sie sich der kantischen anthropologischen Vorstellung, dass die Rationalität im weißen Mann nördlich der Pyrenäen verkörpert sei, während die Iberische Halbinsel zusammen mit den schwarzen, roten und gelben Menschen in den Bereich der irrationalen Welt zu klassifizieren sei. Die Menschen „ohne Vernunft“ waren von den Wissensstrukturen der verwestlichten Universität epistemisch ausgeschlossen. Ausgehend von dieser kantischen Annahme wurde der Kanon des Denkens der zeitgenössischen verwestlichten Universität begründet.

Als sich das Zentrum des Weltsystems Mitte des 17. Jahrhunderts nach dem Dreißigjährigen Krieg, als die Niederländer die spanische Armada besiegten, von der Iberischen Halbinsel nach Nordwesteuropa verlagerte, ging das epistemische Privileg zusammen mit der systemischen Macht von den Imperien der Iberischen Halbinsel auf die nordwesteuropäischen Imperien über. Kants anthropologisch-rassistische Sichtweise, die die Pyrenäen als Trennlinie innerhalb Europas ansetzt, um Vernunft und Unvernunft zu definieren, folgt genau dieser geopolitischen Machtverschiebung im 17. Jahrhundert. Kant wandte auf die Iberische Halbinsel im 18. Jahrhundert die gleichen rassistischen Sichtweisen an, die die Iberische Halbinsel im 16. Jahrhundert auf den Rest der Welt anwandte. Dies ist wichtig, um zu verstehen, warum die Portugiesen und Spanier auch nicht zum Kanon des Denkens an der heutigen verwestlichten Universität gehören, obwohl sie im Zentrum des nach 1492 geschaffenen Weltsystems standen. Seit dem späten 18. Jahrhundert sind es nur Männer aus fünf Ländern (Frankreich, England, Deutschland, Italien und den USA), die das Privileg und die Autorität des Kanons der Wissensproduktion in der verwestlichten Universität monopolisieren.

Angesichts der Herausforderung, die die eurozentrische Moderne und ihre epistemischen, rassistischen/sexistischen kolonialen Wissensstrukturen darstellen, schlägt Enrique Dussel die Transmoderne als das Projekt vor, um das unvollendete Projekt der Dekolonisation zu vollbringen. Das „Trans“ von Transmoderne bedeutet „darüber hinaus“. Was bedeutet es, über die eurozentrische Moderne hinauszugehen?

Auch wenn das westliche koloniale Projekt des Genozids/Epistemizids an bestimmten Orten rund um die Welt bis zu einem gewissen Grad erfolgreich war, so war es doch in seinen Gesamtergebnissen in den meisten Teilen der Welt ein großer Misserfolg. Kritisches indigenes, muslimisches, jüdisches, afrikanisches und weibliches Denken sowie viele andere kritische Wissensbestände aus dem globalen Süden sind immer noch lebendig. Nach 500 Jahren Kolonialität des Wissens gibt es weder eine kulturelle noch epistemische Tradition in einem absoluten Sinne außerhalb der eurozentrischen Moderne. Alle wurden von der eurozentrischen Moderne in Mitleidenschaft gezogen, und sogar Aspekte des Eurozentrismus wurden in vielen dieser Epistemologien verinnerlicht. Das bedeutet jedoch nicht, dass jede Tradition in einem absoluten Sinne innerhalb der westlichen Epistemologie ist und dass es nichts außerhalb ihrer gibt. Es gibt immer noch nicht-westliche epistemische Perspektiven, die eine relative Exteriorität gegenüber der eurozentrischen Moderne/Modernität aufweisen. Sie wurden vom Genozid/Epistemizid in Mitleidenschaft gezogen, aber nicht vollständig zerstört. Es ist diese relative Exteriorität, die gemäß Enrique Dussel die Hoffnung und die Möglichkeit für eine transmoderne Welt bietet: „eine Welt, in der viele Welten möglich sind“, um den Slogan der Zapatisten zu verwenden.

Die Existenz einer epistemischen Vielfalt bietet das Potenzial für Kämpfe der Dekolonisation und Depatriarchalisierung, die nicht mehr auf westzentrischen Epistemologien und Weltsichten ausgerichtet sind. Um über die eurozentrische Moderne hinauszugehen, schlägt Dussel ein dekoloniales Projekt vor, das das kritische Denken der epistemischen Traditionen des globalen Südens ernst nimmt. Auf der Grundlage dieser vielfältigen Traditionen können wir Projekte ins Leben rufen, die die unterschiedlichen Ideen und Institutionen, die sich die eurozentrische Moderne angeeignet hat, aufgreifen und in verschiedene Richtungen dekolonisieren. In der eurozentrischen Moderne hat der Westen die Definition von Demokratie, Menschenrechten, Frauenbefreiung, Ökonomie usw. gekidnapped und monopolisiert. Transmoderne schließt ein, diese Elemente entsprechend der epistemischen Vielfalt der Welt in verschiedene Richtungen neu zu definieren, hin zu einem Pluriversum (pluriverse) der Bedeutung und einer pluriversalen Welt.

Wenn Menschen aus dem globalen Süden nicht der westlichen hegemonialen Definition folgen, werden sie von der globalen Gemeinschaft sofort denunziert und marginalisiert, indem sie des Fundamentalismus bezichtigt werden. Wenn zum Beispiel die Zapatisten über Demokratie sprechen, tun sie das nicht aus einer westzentrischen Perspektive. Sie schlagen ein Demokratieprojekt vor, das sich deutlich von der liberalen Demokratie unterscheidet. Sie definieren die Demokratie aus der indigenen Perspektive des „zu befehlen und dabei zu gehorchen“ (mandar obedeciendo) neu, mit den Caracoles53 als die demokratisch-institutionelle Praxis.

Ein anderes Demokratiekonzept zu verwenden, wird in der eurozentrischen Moderne jedoch als eine Form des Fundamentalismus verurteilt. Dasselbe gilt für das Konzept des Feminismus. Wenn muslimische Frauen einen „islamischen Feminismus“ entwickeln, werden sie von eurozentrischen westlichen Feministinnen sofort als patriarchalisch und fundamentalistisch verurteilt. Die Transmoderne stellt eine Einladung dar, aus den unterschiedlichen politisch-epistemischen Projekten, die es heute in der Welt gibt, eine Neudefinition der vielen Elemente vorzunehmen, die sich die eurozentrische Moderne angeeignet hat und die behandelt werden, als seien sie naturgemäß und dem Wesen nach europäisch, hin zu einem dekolonialen Projekt der Befreiung über das „kapitalistische/patriarchale west-/christozentrische moderne/koloniale Weltsystem“ hinaus. Wie Dussel feststellt:

Wenn ich von Trans-Moderne spreche, beziehe ich mich auf ein globales Projekt, das die europäische oder nordamerikanische Moderne zu übersteigen sucht. Dies ist ein Projekt, das nicht post-modern ist, denn die Post-Moderne ist eine immer noch unvollständige Kritik der Moderne durch Europäer und Nordamerikaner. Hingegen ist Trans-Modernität eine Aufgabe, die in meinem Fall eben philosophisch zum Ausdruck kommt. Ihr Ausgangspunkt ist dasjenige, was verworfen, entwertet und als nutzlos bei den Kulturen dieser Erde beurteilt wurde, einschließlich der kolonisierten oder peripheren Philosophien.54

Darüber hinaus ruft die Transmoderne zu interphilosophischen politischen Dialogen auf, um Pluriversen von Bedeutungen zu erzeugen, wobei das neue Universum ein Pluriversum ist. Die Transmoderne ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einer liberalen multikulturalistischen Zelebrierung der epistemischen Vielfalt der Welt, bei der die Machtstrukturen intakt bleiben. Die Transmoderne ist eine Anerkennung der epistemischen Vielfalt ohne epistemischen Relativismus. Die Forderung nach epistemischer Pluriversalität (pluriversality) im Gegensatz zu epistemischer Universalität (universality) ist nicht gleichbedeutend mit einer relativistischen Position. Im Gegenteil erkennt die Transmoderne die Notwendigkeit eines gemeinsamen universalen Projekts gegen Kapitalismus, Patriarchat, Imperialismus und Kolonialismus an. Aber sie lehnt eine Universalität von Lösungen ab, bei der einer für den Rest definiert, was „die Lösung“ ist.

Universalität in der europäischen Moderne bedeutete „einer, der für den Rest definiert“ (one that defines for the rest). Die Transmoderne fordert ein Pluriversum von Lösungen, bei denen „die Vielen für die Vielen definieren“ (the many defines for the many). Von verschiedenen kulturellen und epistemischen Traditionen aus wird es verschiedene Antworten und Lösungen für gleichartige Probleme geben. Der transmoderne Horizont hat zum Ziel, pluriversale Begriffe, Bedeutungen und Philosophien sowie eine pluriversale Welt hervorzubringen. Wie Dussel feststellt, ist die Transmoderne

[…] ausgerichtet auf eine pluriversale zukünftige globale Philosophie. Dieses Projekt ist notwendigerweise trans-modern und darum ebenfalls trans-kapitalistisch.

Für lange Zeit, vielleicht über Jahrhunderte, werden die vielen unterschiedlichen philosophischen Traditionen jeweils ihren eigenen Wegen folgen, aber nichtsdestoweniger taucht ein globales analogisches Projekt eines trans-modernen Pluriversums (das weder universal noch post-modern ist) am Horizont auf. Jetzt sind „andere Philosophien“ möglich, denn „eine andere Welt ist möglich“ – wie dies von der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung in Chiapas, Mexiko, proklamiert wird.55

1.7 Schluss

Diese Diskussion hat weitreichende Auswirkungen auf die Dekolonisation der verwestlichten Universität. Bisher agiert die verwestlichte Universität unter der Annahme des Universalismus, wo „einer (westliche Männer aus fünf Ländern) für den Rest definiert“, was wahres und gültiges Wissen ist. Die Wissensstrukturen der verwestlichten Universität zu dekolonisieren, wird unter anderem erfordern:

  1. den Provinzialismus und den epistemischen Rassismus/​Sexismus anzuerkennen, die die grundlegenden epistemischen Strukturen als Ergebnis der genozidalen/epistemizidalen kolonialen/patriarchalen Projekte des 16. Jahrhunderts bilden;
  2. mit dem Uni-versalismus (uni-versalism) zu brechen, bei dem einer („uni“) für den Rest definiert – in diesem Fall ist der eine die Epistemologie des westlichen Mannes;
  3. die epistemische Vielfalt in den Kanon des Denkens einzubringen, um ein Pluri-versum (pluri-versum) von Bedeutungen und Begriffen zu schaffen, in dem das interepistemische Gespräch zwischen vielen epistemischen Traditionen Re-Definitionen alter Begriffe hervorbringt und neue pluriversale Konzepte schafft, bei denen „die Vielen für die Vielen definieren“ (Pluriversum) statt „einer für den Rest“ (Universum).

Wenn die verwestlichten Universitäten diese drei programmatischen Punkte annehmen, würden sie aufhören, verwestlicht und eine Uni-versität (Uni-versity) zu sein. Sie würde sich von einer verwestlichten Universität in eine dekoloniale Pluriversität verwandeln. Wenn aus Kants und Humboldts eurozentrischen, modernen, rassistischen/sexistischen epistemischen Projekten die epistemische Grundlage der verwestlichten Universität seit dem späten 18. Jahrhundert als Ergebnis von dreihundert Jahren Genozid/Epistemizid in der Welt wurde, ist Enrique Dussels Transmoderne die neue epistemische Grundlage der zukünftigen dekolonialen Pluriversität, deren Wissensproduktion im Dienst einer Welt jenseits des „kapitalistischen/​patriarchalen west-/christozentrischen modernen/kolonialen Weltsystems“ steht.

 

 Literatur

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 1„Das lange 16. Jahrhundert“ ist eine Formulierung des französischen Historikers Fernand Braudel, der die Arbeit des Weltsystem-Forschers Immanuel Wallerstein (Immanuel Wallerstein, Das moderne Weltsystem. Die Anfänge kapitalistischer Landwirtschaft und die europäische Weltökonomie im 16. Jahrhundert, Übers. Angelika Schweikhart, Syndikat/Promedia, Frankfurt am Main/Wien, 1986; englisches Original: Immanuel Wallerstein, The Modern World-System. Capitalist Agriculture and the Origins of the European World-Economy in the Sixteenth Century, Academic Press, New York/London, 1974) beeinflusst hat. Es bezieht sich auf die 200 Jahre, die den Zeitraum zwischen 1450 und 1650 umfassen. Dies ist der Zeitraum der Herausbildung eines neuen historischen Systems, das Wallerstein als „Modernes Weltsystem“, „Europäische Weltwirtschaft“ oder „Kapitalistische Weltwirtschaft“ bezeichnete. Der historische Prozess, der dieses neue System ausgebildet hat, umfasst die 200 Jahre des langen 16. Jahrhunderts. Ich werde den Begriff „langes 16. Jahrhundert“ verwenden, um mich auf die Prozesse der longue durée (lange Dauer) zu beziehen, die die anfängliche Bildung dieses historischen Systems umfassen, und den Begriff „16. Jahrhundert“, um mich auf die 1500er zu beziehen.

2Ich glaube, dass die beste Hommage an Intellektuelle darin besteht, ihre Arbeit ernst zu nehmen und neue Aspekte einzubringen, die durch ihr Werk angeregt worden sind.

3Boaventura de Sousa Santos, Epistemologien des Südens: Gegen die Hegemonie des westlichen Denkens, Übers. Felix Schüring, Unrast, Münster, 2018; englisches Original: Boaventura de Sousa Santos, Epistemologies of the South: Justice Against Epistemicide, Routledge, New York, 2016 (1. Auflage: Paradigm Publishers, Boulder, Colorado, 2014).

4Anm. d. Übers.: „Epistemizid“ ist ein von Boaventura de Sousa Santos geprägter Begriff. In seinem Buch Epistemologien des Südens erläutert er ihn folgendermaßen: „Diese alleinige Sichtweise charakterisiert die moderne Wissenschaft und ihren epistemologischen Bruch sowohl mit dem Common Sense als auch mit allen alternativen Wissensformen wohl am besten. Die Kehrseite der Stärke dieser alleinigen Sichtweise bildet ihr Unvermögen, alternative Sichtweisen überhaupt zu erkennen. Soziale Praktiken sind Wissenspraktiken, aber sie können als solche nur erkannt werden, wenn sie das Spiegelbild des wissenschaftlichen Wissens sind. Jede Wissensform, die diesem Bild nicht entspricht, wird als Unwissen verworfen. Die alleinige Sichtweise ist kein natürliches Phänomen, sondern vielmehr das Produkt der kreativen Zerstörung der modernen Wissenschaft. Das epistemologische Privileg, welches die moderne Wissenschaft sich selbst verleiht, resultiert aus der Zerstörung von allen alternativen Wissensformen, die eines Tages dieses Privileg infrage stellen könnten. Anders formuliert, ist es ein Produkt dessen, was ich in einem vorherigen Kapitel Epistemizid genannt habe. Eine solche Zerstörung von Wissensformen ist kein epistemologisches Artefakt ohne jegliche Konsequenz. Es umfasst die Zerstörung sozialer Praktiken sowie den Ausschluss sozialer Handlungssubjekte, die gemäß dieser Wissensformen agieren. In der etablierten Wirtschaftswissenschaft hat die besondere Intensität des signifikanten Beobachters/der signifikanten Beobachterin zu einer besonders arroganten alleinstehenden Sichtweise geführt. In deren Folge wurde der Epistemizid noch umfangreicher und tiefgreifender.“ Siehe Boaventura de Sousa Santos, Epistemologien des Südens: Gegen die Hegemonie des westlichen Denkens, Übers. Felix Schüring, Unrast, Münster, 2018, S. 228; englisches Original: Boaventura de Sousa Santos, Epistemologies of the South: Justice Against Epistemicide, Routledge, New York, 2016 (1. Auflage: Paradigm Publishers, Boulder, Colorado, 2014).

5Ramón Grosfoguel, „The Dilemmas of Ethnic Studies in the United States: Between Liberal Multiculturalism, Identity Politics, Disciplinary Colonization, and Decolonial Epistemologies“, in: Human Architecture: Journal of the Sociology of Self-Knowledge, 9, 2012, S. 81-90.

6Anm. d. Übers.: Das englische Wort men kann mit sowohl „Menschen“ als auch „Männer“ übertragen werden. Ramón Grosfoguel spielt hier auf die Mehrdeutigkeit dieses Wortes und damit auf den im Artikel ausgeführten Sexismus an.

7Boaventura de Sousa Santos, Epistemologien des Südens: Gegen die Hegemonie des westlichen Denkens, Übers. Felix Schüring, Unrast, Münster, 2018; englisches Original: Boaventura de Sousa Santos, Epistemologies of the South: Justice Against Epistemicide, Routledge, New York, 2016 (1. Auflage: Paradigm Publishers, Boulder, Colorado, 2014). Anm. d. Übers.: Im Gegensatz zu Ramón Grosfoguel spricht Boaventura de Sousa Santos im gleichen Zusammenhang von „fünf oder sechs Ländern des globalen Nordens (Deutschland, England, Frankreich, Russland, Italien und in kleineren [sic] Maße den Vereinigten Staaten)“ (S. 67).

8Ramón Grosfoguel, „The Dilemmas of Ethnic Studies in the United States: Between Liberal Multiculturalism, Identity Politics, Disciplinary Colonization, and Decolonial Epistemologies“, in: Human Architecture: Journal of the Sociology of Self-Knowledge, 9, 2012, S. 81-90.

9René Descartes, „Abhandlung über die Methode, seine Vernunft gut zu gebrauchen und die Wahrheit in den Wissenschaften zu suchen“, Übers. Julius Heinrich von Kirchmann, in: René Descartes’ philosophische Werke, Abteilung 1, Berlin, 1870, S. 19; französisches Original: René Descartes, Discours de la méthode pour bien conduire sa raison et chercher la vérité dans les sciences, Ian Maire, Leiden, 1637.

10Ich sage „soll“, denn wie Enrique Dussel in seinem Aufsatz Anti-cartesianische Meditationen (Enrique Dussel, „Erste Vorlesung. Anti-cartesianische Meditationen: Über den Ursprung des philosophischen Gegendiskurses der Moderne“, in: Enrique Dussel, Der Gegendiskurs der Moderne. Kölner Vorlesungen, Übers. Christoph Dittrich, Turia + Kant, Wien-Berlin, 2013; spanisches Original: Enrique Dussel, „Anti-meditaciones cartesianas: sobre el origen del anti-discurso filosófico de la modernidad“, in: Tabula Rasa, 2008, S. 153-197) gezeigt hat, war Descartes stark von den christlichen Philosophen der spanischen Eroberung der Amerikas beeinflusst.

11Beachten Sie, dass ich einen Unterschied zwischen Christentum (Christianity) und Christenheit (Christendom) mache. Christentum ist eine spirituelle/religiöse Tradition, Christenheit ist, wenn das Christentum zur vorherrschenden Ideologie wurde, die vom Staat eingesetzt wurde. Christenheit entstand im 4. Jahrhundert nach Christus, als Konstantin sich das Christentum aneignete und es in die offizielle Ideologie des Römischen Reiches verwandelte.

12Eine sehr interessante Diskussion zu dieser Frage findet sich bei Enrique Dussel (Enrique Dussel, Von der Erfindung Amerikas zur Entdeckung des Anderen: ein Projekt der Transmoderne, Patmos, Düsseldorf, 1993; spanisches Original: Enrique Dussel, 1492: El encubrimiento del Otro. Hacia el origen del „mito de la Modernidad“, Facultad de Humanidades y Ciencias de la Educación, La Paz, 1992) und Donna Haraway (Donna Haraway, „Situated Knowledges: The Science Question in Feminism and the Privilege of Partial Perspective“, in: Feminist Studies, 14, 1988, S. 575-599).

13Santiago Castro-Gómez, Zero-Point Hubris. Science, Race, and Enlightenment in Eighteenth-Century Latin America, Rowman & Littlefield, Lanham/​Boulder/New York/London, 2021.

14Gloria Anzaldúa, Borderlands/La Frontera: The New Mestiza, Aunt Lute Books, San Francisco, 2012.

15Enrique Dussel, Philosophie der Befreiung, Argument, Hamburg, 1989; spanisches Original: Enrique Dussel, Filosofía de Liberación, Edicol, México, 1977.

16René Descartes, „Abhandlung über die Methode, seine Vernunft gut zu gebrauchen und die Wahrheit in den Wissenschaften zu suchen“, Übers. Julius Heinrich von Kirchmann, in: René Descartes’ philosophische Werke, Abteilung 1, Berlin, 1870, S. 19; französisches Original: René Descartes, Discours de la méthode pour bien conduire sa raison et chercher la vérité dans les sciences, Ian Maire, Leiden, 1637.

17Enrique Dussel, „Erste Vorlesung. Anti-cartesianische Meditationen: Über den Ursprung des philosophischen Gegendiskurses der Moderne“, in: Enrique Dussel, Der Gegendiskurs der Moderne. Kölner Vorlesungen, Übers. Christoph Dittrich, Turia + Kant, Wien-Berlin, 2013; spanisches Original: Enrique Dussel, „Anti-meditaciones cartesianas: sobre el origen del anti-discurso filosófico de la modernidad“, in: Tabula Rasa, 2008, S. 153-197.

18Ebenda.

19Nelson Maldonado-Torres, „Religion, Conquest, and Race in the Foundations of the Modern/Colonial World“, in: Journal of the American Academy of Religion, 82, 2014, S. 636-665.

20Julio Caro Baroja, Los Moriscos del Reino de Granada, Ediciones Istmo, Madrid, 1991; Rafael Carrasco, Deportados en nombre de Dios: La explusión de los moriscos cuarto centenario de una ignominia, Ediciones Destino, Barcelona, 2009.

21Manuel Barrios Aguilera, La suerte de los vencidos: Estudios y reflexiones sobre la cuestión morisca, Universidad de Granada, Granada, 2009. Ali Kettani, El resurgir del Islam en Al-Ándalus, Abadia Editors, Barcelona, 2012.

22Ángel Galán Sánchez, Una sociedad en transición: Los granadinos de mudéjares a moriscos, Universidad de Granada, Granada, 2010.

23Aurelia Martín Casares, La esclavitud en la Granada del Siglo XVI, Universidad de Granada y Diputación Provincial de Granada, Granada, 2000. Rafael Carrasco, Deportados en nombre de Dios: La explusión de los moriscos cuarto centenario de una ignominia, Ediciones Destino, Barcelona, 2009. Ángel Galán Sánchez, Una sociedad en transición: Los granadinos de mudéjares a moriscos, Universidad de Granada, Granada, 2010.

24Es ist die neuere westeuropäische, nordamerikanische und israelisch-zionistische orientalistische Literatur, die nach dem Zweiten Weltkrieg die Araber aus den semitischen Völkern ausschloss und die Definition des Antisemitismus auf die rassistische Diskriminierung der Juden reduzierte. Letzteres ist Teil einer perversen zionistischen Strategie, arabisch-muslimische Kritik am Zionismus mit Antisemitismus gleichzusetzen (Ramón Grosfoguel, „Menschenrechte und Antisemitismus nach GAZA“, in diesem Band: Ramón Grosfoguel, Horizonte dekolonialen Denkens. Über Rassismus, Islamophobie, Dekolonisierung und Transmoderne, Yusuf Kuhn & Daniel Rudolf (Hrsg. & Übers.), tredition, Hamburg, 2024, S. 343-375; englisches Original: Ramón Grosfoguel, „Human Rights and Anti-Semitism after GAZA“, in: Historicizing Anti-Semitism, Human Architecture: Journal of the Sociology of Self-Knowledge, Okcir Press, Belmont, MA, 7, 2009, S. 89-102).

25Ángel Galán Sánchez, Una sociedad en transición: Los granadinos de mudéjares a moriscos, Universidad de Granada, Granada, 2010. Antonio Dominguez Ortiz, Moriscos: la mirada de un historiador, Universidad de Granada, Granada, 2009.

26Felipe Maíllo Salgado, De la desaparición de Al-Andalus, Abada Editores, Madrid, 2004. Ali Kettani, El resurgir del Islam en Al-Ándalus, Abadia Editors, Barcelona, 2012.

27Antonio Garrido Aranda, Moriscos e Indios: Precedentes Hispánicos de la Evangelización de México, Universidad Nacional Autónoma de México, México, 1980.

28Ebenda. Juan Carlos Martín de la Hoz, El Islam y España, RIALP, Madrid, 2010.

29Antonio Garrido Aranda, Moriscos e Indios: Precedentes Hispánicos de la Evangelización de México, Universidad Nacional Autónoma de México, México, 1980.

30Nelson Maldonado-Torres, „Religion, Conquest, and Race in the Foundations of the Modern/Colonial World“, in: Journal of the American Academy of Religion, 82, 2014, S. 636-665.

31Christoph Kolumbus, Das Bordbuch. Leben und Fahrten des Entdeckers der Neuen Welt, Übers. Anton Zahorsky, Edition Erdmann, Lenningen, 2013, Kapitel: Land! Land! (Donnerstag-Freitag, den 11.-12. Oktober 1492).

32Nelson Maldonado-Torres, „Religion, Conquest, and Race in the Foundations of the Modern/Colonial World“, in: Journal of the American Academy of Religion, 82, 2014, S. 636-665.

33Ebenda, S. 641.

34Ebenda, S. 658.

35Ramón Grosfoguel, „Dekolonisierung postkolonialer Studien und Paradigmen der politischen Ökonomie: Transmoderne, Dekoloniales Denken und Globale Dekolonialität“, in diesem Band: Ramón Grosfoguel, Horizonte dekolonialen Denkens. Über Rassismus, Islamophobie, Dekolonisierung und Transmoderne, Yusuf Kuhn & Daniel Rudolf (Hrsg. & Übers.), tredition, Hamburg, 2024, S. 155-215; englisches Original: Ramón Grosfoguel, „Decolonizing Post-Colonial Studies and Paradigms of Political-Economy: Transmodernity, Decolonial Thinking, and Global Coloniality“, in: Transmodernity: Journal of Peripheral Cultural Production of the Luso-Hispanic World, 1, 2011.

36Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass Latein die Schriftsprache im Europa des 16. Jahrhunderts war. Da die christliche Kirche durch die christliche Theologie die Autorität über das Wissen war, gelangten die Debatten über die Eroberung der Amerikas in Spanien über die kirchlichen Netzwerke in andere europäische Gebiete. So wurden die Debatten über Kolumbus und die spanischen christlichen Theologen über die Neue Welt und die dort gefundenen Subjekte/Untertanen in anderen Teilen Europas mit besonderer Aufmerksamkeit gelesen.

37Enrique Dussel, El episcopado latinoamericano y la liberación de los pobres (1504-1620), Centro de Reflexión Teológica, A.C., Mexico, 1979. Enrique Dussel, Die Geschichte der Kirche in Lateinamerika, Übers. Horst Goldstein, Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz, 1988; spanisches Original: Enrique Dussel, Historia de la Iglesia en América Latina: Medio Milenio de Coloniaje y Liberación, Mundo Negro-Esquila Misional, 1992.

38Diese Skepsis in Bezug auf das Menschsein anderer Menschen ist das, was von Nelson Maldonado-Torres (Nelson Maldonado-Torres, Against War: Views from the Underside of Modernity, Duke University Press, Durham, 2008) als „misanthropischer Skeptizismus“ bezeichnet wird.

39Ich beziehe mich auf die soziale Klassifizierung des sozialen Systems. Wie Maldonado-Torres argumentiert, gab es bereits Individuen, die Diskurse artikulierten, die aus zeitgenössischer Sicht als rassistisch bezeichnet werden könnten. Die soziale Klassifizierung der Bevölkerung im mittelalterlichen Europa basierte jedoch nicht auf einer rassialistischen Klassifizierung, das heißt, sie war nicht um soziale Logiken herum organisiert, die mit einer radikalen Frage nach dem Menschsein der sozialen Subjekte/Untertanen verbunden waren. Die soziale Klassifizierung der Bevölkerung auf der Grundlage rassistischer sozialer Logiken war ein Prozess nach 1492, in dem sich das „kapitalistische/patriarchalische west-/christozentrische moderne/​koloniale Weltsystem“ herausbildete (Ramón Grosfoguel, „Dekolonisierung postkolonialer Studien und Paradigmen der politischen Ökonomie: Transmoderne, Dekoloniales Denken und Globale Dekolonialität“, in diesem Band: Ramón Grosfoguel, Horizonte dekolonialen Denkens. Über Rassismus, Islamophobie, Dekolonisierung und Transmoderne, Yusuf Kuhn & Daniel Rudolf (Hrsg. & Übers.), tredition, Hamburg, 2024, S. 155-215; englisches Original: Ramón Grosfoguel, „Decolonizing Post-Colonial Studies and Paradigms of Political-Economy: Transmodernity, Decolonial Thinking, and Global Coloniality“, in: Transmodernity: Journal of Peripheral Cultural Production of the Luso-Hispanic World, 1, 2011). Daher wird in diesem Artikel das Argument der Entstehung des Rassismus auf ein globales soziales System nach 1492 bezogen und nicht auf individuelle Aussagen vor 1492.

40Kwame Nimako & Glenn Willemsen, The Dutch Atlantic: Slavery, Abolition and Emancipation, Pluto Press, London, 2011.

41José María Pérez de Perceval, „Animalitos del señor: Aproximación a una teoría de las animalizaciones propias y del otro, sea enemigo o siervo, en la España imperial (1550-1650)“, in: Áreas: Revista Internacionale de Ciencias Sociales, Universidad de Murcia, Nr. 14, 1992, S. 173-184. José María Pérez de Perceval, Todos son uno. Arquetipos, xenofobia y racismo. La imagen del morisco en la monarquía española durante los siglos XVI y XVII, Instituto de Estudios Almerienses, Almería, 1997.

42Michel Foucault, „Leben machen und sterben lassen – Die Geburt des Rassismus“, in: Sebastian Reinfeldt, Richard Schwarz & Michel Foucault, Bio-Macht, Diss-Texte, Nr. 25, Duisburg, 1993, S. 27-50; französisches Original: Michel Foucault, „Faire vivre et laisser mourir : la naissance du racisme“, in: Les Temps modernes, 46, Nr. 535, S. 37-61 (Auszug aus der Vorlesung „Il faut défendre la société“ (In Verteidigung der Gesellschaft) am Collège de France aus den Jahren 1975/76 am 17. März 1976).

43Der wissenschaftliche Rassismus im 19. Jahrhundert war nicht, wie Foucault argumentierte, eine Resignifikation des alten europäischen Diskurses vom „Krieg der Rassen“, sondern eine Säkularisierung des alten christlich-religiösen theologischen Rassismus der „Völker ohne Seele“ im 16. Jahrhundert. Der alte Diskurs vom „Krieg der Rassen“ innerhalb von Europa war nicht die Grundlage des wissenschaftlichen Rassismus, worauf Foucault in seiner „Genealogie des Rassismus“ bestand. Die Grundlage des wissenschaftlichen Rassismus war der alte religiöse Rassismus des 16. Jahrhunderts mit Wurzeln in der europäischen kolonialen Eroberung der Amerikas. Foucault ist blind gegenüber der Eroberung der Amerikas, dem Kolonialismus und dem 16. Jahrhundert Spaniens.

44Es handelte sich dabei um die Prozesse gegen die Morisken, die ab Mitte des 16. Jahrhunderts im Gebirgszug der Alpujarras in der Umgegend der Stadt Granada aufkamen.

45Aurelia Martín Casares, La esclavitud en la Granada del Siglo XVI, Uni­versidad de Granada y Diputación Provincial de Granada, Granada, 2000.

46José María Pérez de Perceval, „Animalitos del señor: Aproximación a una teoría de las animalizaciones propias y del otro, sea enemigo o siervo, en la España imperial (1550-1650)“, in: Áreas: Revista Internacionale de Ciencias Sociales, Universidad de Murcia, Nr. 14, 1992, S. 173-184. José María Pérez de Perceval, Todos son uno. Arquetipos, xenofobia y racismo. La imagen del morisco en la monarquía española durante los siglos XVI y XVII, Instituto de Estudios Almerienses, Almería, 1997. Rafael Carrasco, Deportados en nombre de Dios: La explusión de los moriscos cuarto centenario de una ignominia, Ediciones Destino, Barcelona, 2009.

47Die bahnbrechende Arbeit von Silvia Federici (Silvia Federici, Caliban und die Hexe. Frauen, der Körper und die ursprüngliche Akkumulation, Übers. Max Henninger, Mandelbaum, Wien, 2012; englisches Original: Silvia Federici, Caliban and the Witch: Women, the Body and Primitive Accumulation, Autonomedia, New York, 2004) ist eine der wenigen Ausnahmen. Obwohl Federici diese vier Prozesse nicht mit Genozid/Epistemizid in Verbindung bringt, verbindet sie zumindest die Hexenverfolgung von Frauen im 16./17. Jahrhundert mit der Versklavung von Afrikanern und der Eroberung Amerikas im Zusammenhang mit der globalen kapitalistischen Akkumulation, insbesondere mit der frühen Herausbildung des Kapitalismus, das heißt mit der „ursprünglichen Akkumulation“. Ihre Arbeit konzentriert sich eher auf die politische Ökonomie als auf die Strukturen des Wissens. Dennoch ist ihr Beitrag entscheidend für das Verständnis der Beziehung zwischen dem Genozid/Epistemizid an Frauen und den anderen Genoziden/Epistemiziden des 16. Jahrhunderts.

48Für eine Analyse der Transformation der europäischen Aristokratie in eine kapitalistische Klasse im Zusammenhang mit der Entstehung des modernen Weltsystems siehe die Arbeiten von Immanuel Wallerstein; insbesondere sein Das moderne Weltsystem (Immanuel Wallerstein, Das moderne Weltsystem. Die Anfänge kapitalistischer Landwirtschaft und die europäische Weltökonomie im 16. Jahrhundert, Übers. Angelika Schweikhart, Syndikat/Promedia, Frankfurt am Main/Wien, 1986; englisches Original: Immanuel Wallerstein, The Modern World-System. Capitalist Agriculture and the Origins of the European World-Economy in the Sixteenth Century, Academic Press, New York/London, 1974).

49Silvia Federici, Caliban und die Hexe. Frauen, der Körper und die ursprüngliche Akkumulation, Übers. Max Henninger, Mandelbaum, Wien, 2012; englisches Original: Silvia Federici, Caliban and the Witch: Women, the Body and Primitive Accumulation, Autonomedia, New York, 2004.

50Es ist wichtig zu erwähnen, dass, als die Niederländer die Spanier im Dreißigjährigen Krieg besiegten, sich das neue Zentrum des neuen Weltsystems, das nach 1492 im Zuge der spanischen Expansion in die Amerikas entstand, von der Iberischen Halbinsel nach Nordwesteuropa verlagerte, das heißt nach Amsterdam. Dussels Charakterisierung von Descartes’ Philosophie als eine, die von jemandem produziert wurde, der geopolitisch vom Zentrum des Weltsystems, dem imperialen Sein/Wesen, aus dachte, ist nicht metaphorisch.

51Nelson Maldonado-Torres, Against War: Views from the Underside of Modernity, Duke University Press, Durham, 2008.

52Ebenda.

53Anm. d. Übers.: Regionale autonome Kommunikations- und Verwaltungszentren.

54Enrique Dussel, „Eine neue Epoche in der Geschichte der Philosophie: Der Weltdialog zwischen philosophischen Traditionen“, in: Übersetzen, Zeitschrift für interkulturelles Philosophieren, polylog 24, 2010, S. 47-64, hier: S. 63; englisches Original: Enrique Dussel, „A New Age in the History of Philosophy: The World Dialogue Between Philosophical Traditions“, in: Prajñã Vihãra: Journal of Philosophy and Religion, 9, 2008, S. 1-21.

55Ebenda, S. 64.